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Stellungnahme zum Verfahren der Fa. TIMEKO gegen die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft in Sachen BG – Beitrag, besonders Eingruppierung von Datenverarbeitungs-Fachleuten in die Gefahrtarifstelle 52 oder 53

Es wird langsam Zeit, eine Sache zwischen der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft und ihrer beitragsstärksten Mitgliedsbranche zu klären: wie soll der Gefahrtarif für die Arbeitnehmerüberlassung langfristig aussehen? Seit über 15 Jahren schwelt kontinuierlich der Streit zwischen der Beitragsabteilung und den Unternehmen bezüglich der Berechnung der Gefahrklassen und der Einstufung der Mitarbeiter in die derzeit 2 Gefahrklassen.
Seit die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft die Unterscheidung zwischen bei der BfA oder LVA versicherten in das etablierte Kriterienverfahren „Ausschliesslich kaufmännisch oder verwaltende Tätigkeiten“ überführt hat, gibt es immer wieder Fehleinstufungen in den Unternehmen, die bei Prüfungen erhebliche Nachzahlungen nach sich ziehen.

Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft hat erst sehr spät gemerkt, dass die unterscheidenden Kriterien kaufmännisch oder verwaltend der Erläuterung bedurften, vor allem im eigenen Haus. So tauchte erst im Mai 1998 in der Revision (Prüfung der Beiträge) ein Beispielkatalog auf, der jedoch nur den Beitragsprüfern, und nicht den Unternehmen zur Verfügung stand. Viel später erst, auf Drängen der Verbände, wurde der Katalog mit seinen vordergründig himmelschreienden Ungerechtigkeiten der Branchenöffentlichkeit vorgestellt. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Beitragsabteilung wurde dieser Katalog überarbeitet, konnte jedoch nicht die Problemberufe und Tätigkeiten eindeutig und nachvollziehbar der einen oder anderen Gefahrtarifstelle zuordnen. Zudem muss man feststellen, dass die an der Arbeitsgruppe beteiligten zwar Juristen und Verwaltungsfachleute sind, aber nur einen sehr zweifelhaften Praxishintergrund aufweisen dürften. Ein Beteiligung der Verbände wurde auch damals abgelehnt, sie durften jedoch als Erste Einblick nehmen.

Ich habe bereits damals empfohlen, eine gemeinsame Definition der Begriffe kaufmännisch und verwaltend zu erarbeiten, um genau diesen Problemen aus dem Weg zu gehen. Dies hole ich heute nach: ein Blick in das für den deutschsprachigen Raum massgebliche Wirtschaftslexikon von Gabler hilft da schon weiter.

Verwaltung ist demnach „die aus dem menschlichen Zusammenleben erforderliche Tätigkeit zur Lenkung und Beaufsichtigung der individuellen Leistungen und der daraus erwachsenden Sachleistungen sowie deren Abstimmung auf die gemeinschaftlichen Aufgaben und Ziele oder auf bestimmte Zwecke“. Die besondere Form der betrieblichen Verwaltung, die uns im Zusammenhang Zeitarbeit natürlich besonderes interessiert wird als Grundfunktion der betrieblichen Organisation definiert, die nur mittelbar den eigentlichen Zweckaufgaben des Betriebes dient, indem sie den reibungslosen Betriebsablauf durch Betreuung des ganzen Betriebes und seiner Teile zu gewährleisten hat. Gabler definiert die Verwaltung auch als „alle Tätigkeitsbereiche innerhalb der Unternehmung, die nicht unmittelbar zum Produktionsbereich, also dem technischen Bereich gehören. Kaufmännische Tätigkeiten sind darin nach dieser Definition enthalten.

Soweit eigentlich ganz einfach. Warum sträubt sich die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft nun in diesem hohem Masse, die Trennlinie einfach, nachvollziehbar und im Sinne der Unternehmen zu ziehen? Dies ist keineswegs böse Absicht, sondern erfolgt im Zusammenhang mit einer Harmonisierung der Gefahrtarife der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Die gängige Praxis, die sogenannte Verwaltung eines Betriebes unabhängig von seinem Produktionsbereich zu veranlagen, ist in der Vergangenheit Gegenstand vieler Streitfälle gewesen. Unstrittig war dabei die eigentliche Verwaltung und der kaufmännische Bereich immer, es ging vielmehr um die Grenzgänger zwischen Betrieb und Verwaltung, z.B. den Konstrukteur, der ab und zu auch in der Produktion war, oder den Ingenieur, der zwischen Büro und Werkshalle pendelte. Die vielen unterschiedlichen Kriterien wurden auf Empfehlung und dank einiger Modellrechnungen von Dr. Udo Schulz (HVBG) in den neunziger Jahren in eine einheitliche Definition überführt, nach der sich fast allen Berufsgenossenschaften richten, so auch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft.

Jetzt ist bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Alles anders als z.B. bei der Maschinenbau-BG. Während dort die Modellrechnungen, die man übrigens als Laie gut nachvollziehen kann, beweisen, dass die unterschiedlichen Verfahren über eine längeren Zeitraum dieselbe Beitragsbelastung nach sich ziehen, scheitert die gerechte Anwendung in der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. Warum? In der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gibt es keine vergleichbaren Unternehmen, die hauptsächlich produzieren und eine im Verhältnis betrachtet kleine Verwaltung haben, sondern fast ausschliesslich Verwaltungsbetriebe ohne Produktion. Daher hat auch der Beitrag eine andere Zusammensetzung. Die Zeitarbeit hat als einzige Branche eine Unterscheidung dort in zwei Gefahrtarifstellen erhalten. Auch wenn die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft argumentiert, sie könne aufgrund eines alten Bundessozialgerichtsurteils auch nur eine Gefahrtarifstelle bilden, dürfte der eingeräumte Beobachtungszeitraum längst vorbei sein. Sie hätte nach Meinung der Fachleute längst für die Zeitarbeit einen differenzierten Gefahrtarif entwickeln müssen, die die unterschiedlichen Tätigkeiten angemessen nach dem Risiko beitragsmässig belastet.
Die Anwendung der aktuellen Abgrenzungskriterien ist für die Zeitarbeit nicht geeignet; sie dürfte nach meiner Auffassung lediglich die Verwaltung eines Zeitarbeitsunternehmens umfassen und nicht das kaufmännische Leihpersonal. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft geht über das von Hauptverband, Gerichten und Bundesversicherungsamt akzeptierte Verfahren deutlich hinaus, sicherlich vor dem Hintergrund, irgendwann einen differenzierten Gefahrtarif für die Arbeitnehmerüberlassung zu schaffen.

Welchen Weg aus dem beschriebenen Dilemma kann die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gehen? Es wird dringend Zeit, einen differenzierten Gefahrtarif unter Beteiligung der Branche zu entwickeln. Erste zaghafte Versuche mit den Verbänden waren nicht zwingend von dem Willen geprägt, eine Lösung zu finden. Daher mussten Sie auch scheitern. In dem Zusammenhang ist es dringend notwendig, das verlorengegangene Vertrauen zwischen Verwaltungs-Berufsgenossenschaft und Unternehmen wieder herzustellen. Dafür gibt es nur einen Weg: Unverzügliche Einstellung aller Streitverfahren vor einer Schlichtungskommission aus Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Verbänden und unabhängigen Fachleuten mit dem Ziel der endgültigen Einstellung aller Verfahren. Zeitgleich müssen die Experten der BG und der Branche einen differenzierten Gefahrtarif entwickeln, der vom Bundesversicherungsamt gebilligt langfristig Bestand haben muss.

Es muss sowohl der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft wie auch den Unternehmen klar sein, dass Berufsgenossenschaften nur im Konsens aus Unternehmen und Verwaltung eine Zukunft haben; die BG ist letztendlich nichts anderes als der Zusammenschluss der Unternehmer zu einer Versicherung gegen die Folgen von Arbeitsunfällen. Und das sollte auch so bleiben.

Augenblicklich sind in der Vertreterversammlung 4 Vertreter der Zeitarbeit präsent, die allerdings historisch bedingt vom BZA (1 Vorstand, 3 Vertreter, 4 Stellvertreter) und der IGZ (1 Vertreter, kein Stellvertreter) entsandt werden. Für die Zukunft liegt es auf der Hand, dass die 4 Plätze auch von den 4 Verbänden in gleichem Masse besetzt werden; sollte in der nächsten Periode wieder ein Vorstand von der Zeitarbeit zu stellen sein, dürfte der nächste Verband den Vorstand stellen. Darüber wird man sich einigen müssen.
Auch die Bildung von konstruktiven „Runden Tischen“ zu den Themen Beitrag und Prävention ist notwendig und unverzichtbar. Hier kann man auf bewährte Strukturen zurückgreifen. Auf geht’s.

Hier schliesst sich der Kreis: das Verfahren wird wahrscheinlich wie üblich bis vor das BSG gehen. Und wahrscheinlich wieder zurückverwiesen werden. Bis dahin sind alle Beteiligten in ihren Entscheidungen gelähmt. So kann das doch nicht weiter gehen!

Ich empfehle allen Beteiligten, den Weg aus dem gerichtlichen Konflikt in den konstruktiven Verhandlungsprozess am Runden Tisch zu gehen. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft ist gut beraten, sich mit ihrem grössten Beitragszahler über alle Streitpunkte zu einigen. Die Verbände sind gut beraten, auf die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft zuzugehen und mit neuen Ansätzen und Kompetenz ihre Branchenprobleme an der richtigen Stelle in Angriff zu nehmen und für die Zukunft zu lösen. Das Bundessozialgericht brauchen wir dafür nicht, den Bund der Steuerzahler übrigens auch nicht, so gerne er sich auch hier engagieren möchte.

Mit freundlichen Grüßen,

Bruno Siemer

 

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